„Pralinen sind süß. Pralinen sind schön! Pralinen sind lecker!“ So half eine Freundin mir, diesen Artikel zu beginnen. Sie hat natürlich recht. Aber Pralinen sind noch einiges mehr: vielfältig in Form, Farbe, Geschmack, Konsistenz…
Aber eines ist den kleinen Genussteilchen allen gleich: 12,5 g schwer und mit mindestens 25 % Schokoladenanteil. Ach ja: und sie müssen mundgerecht sein. Das vielbeworbene ‚Duplo‘ von Ferrero ist somit NICHT die längste Praline der Welt. Es ist möglicherweise das längste Konfekt der Welt – also auf jeden Fall eine Sünde wert.
Vor mittlerweile 16 Jahren habe ich die ersten Pralinen gemacht. Es waren ganz einfache – aber bis heute geniale Kugeln: ‚Rumkugeln‘, aber auch ‚Nusstrüffel‘ und ‚Butterpralinen‘. Über Jahre hinweg war es ein vorweihnachlicher familiärer Wochenend-Spaß, den Schokoladenteig zwischen den Händen zu Kugeln zu formen. Für jede formende Hand musste auf eine der Kugeln verzichtet werden: sie blieb an den Händen kleben – und durfte zum Schluss natürlich abgeleckt werden.
Erst Jahre später – Schule, Lehre und Studium hatte ich beendet – fielen mir Rezepte für kompliziertere Pralinen in die Hände:
- Vanille-Butter-Kugeln
- Dunkle Herrenpralinen
- Noisetteherzen
Ein Lieferant für die dazu benötigten Hohlkugeln war schnell gefunden und so schubste ich bald Mini-Hohlkugeln in viel zu heiße Schokolade, fischte sie mit Kuchengabeln heraus und nahm das Ergebnis mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis: die dünnen Wände der dunkel gefüllten weißen Hohlkugeln waren geschmolzen, die breiten Zinken der Kuchengabeln ließen kaum überflüssige Schokolade abtropfen und so ging die kugelige Form verloren. Die kleinen Schokoladenberge mit der dunklen Vanille-Ganache-Füllung bekamen auch noch die typischen grauen Schlieren, wie sie im Sommer geschmolzene Schokolade hat.
Aber sie waren unglaublich lecker!!!
Dann kamen die Jahre, in denen es jede Woche ein neues Buch mit Pralinenrezepten gab. Ich war glücklich – und leider nicht vermögend genug, jedes der Rezepte auszuprobieren: ich konnte mir weder die Menge der Zutaten leisten, noch die anschließend erforderliche größere Kleidung.
Als auch im vierten dieser Bücher etwas vom ‚Temperieren‘ stand, schien diese Aktivität mir so bedeutend, dass ich den Artikel überflog. Aber es schien mir doch sehr viel Aufwand. Und ein Thermometer besaß ich auch nicht. Und schließlich bekamen ja nicht alle Pralinen diesen Grauschleier – und die, die ihn bekamen, schmeckten trotzdem!
Meine Mutter hatte schließlich einen ihrer tollen Einfälle und schenkte mir einen ‚Pralinen-Kurs‘. Auf der Grundlage des dort Gelernten war meine nächste Investition ein Thermometer – nun fehlte nur noch die Geduld, für das Schmelzen, das Abkühlen und das Erwärmen der Schokolade.
Wozu das aufwendige, sogenannte ‚Temperieren‘ der Schokolade?
Das Schmelzen ist unvermeidlich, um flüssige Schokolade zu bekommen.
Dabei sollte sie niemals über 50° C erhitzt werden, da sonst der enthaltene Zucker karamellisiert.
Dies führt dazu, dass die Schokolade rau wird und einen unerwünschten Geschmack bekommt.
Das Herabkühlen ist notwendig, damit sich Kakaobutter und Zucker wieder miteinander verbinden.
Durch das richtige Temperieren bilden sich kleine, gleichmäßige Kristalle, die der Schokolade ihren seidigen Glanz geben.
Grauschleier und weiße Streifen auf der erstarrten Schokolade zeigen den unvollständig gebundenen Zucker an.
Anschließend wird die Schokolade wieder um ein paar Grad erwärmt, um sie zu verarbeiten.
Es lohnt sich, diese aufwendige Prozedur anzuwenden. Das Ansehen der perfekt matt-glänzende Pralinen reicht fast aus, um die durch Schokolade hervorgerufenen Glücksgefühle zu erzeugen – zumindest beim geduldigen Produzenten.
Seit 16 Jahren habe ich jetzt jedes Jahr vor Weihnachten Pralinen gemacht.
Manchmal sehr, sehr viele, manchmal nur sehr wenige. Einen Großteil der kleinen Schokoladenteilchen habe ich immer verschenkt. Seit zwei-drei Jahren verkaufe ich einen Teil der Pralinen, um die Kosten für die Zutaten zu decken.
Auch in diesem Jahr bot ich Freunden und Bekannten an, Pralinen zu bestellen. Erst hielt es sich im üblichen Rahmen: hier wurden drei, dort vier und auch schon mal fünf Tütchen bestellt. Jedes Tütchen sollte 16 Pralinen, also 200 g enthalten. Doch dann kam die ‚Großbestellung‘ eines Freundes: 70 Tütchen! Er hatte einen Heidenspaß daran, dass es mir die Sprache verschlug!
1.120 zusätzliche Pralinen… Das war für mich nicht machbar – auch nicht mit der Unterstützung meiner Familie. Pralinen sollten nicht länger als 14 Tage gelagert werden und diese Menge – zusätzlich zu den bereits bestellten 81 mal 16 Pralinen, war nicht in 14 Tagen zu machen.
Nach einigem Hin und Her werden nun nur fünf Pralinen in jedes Tütchen der ‚Großbestellung‘ gesteckt und für die anderen Bestellungen bleibt es bei den 16 Stück: 1.646 Pralinen aus meiner Küche, die dieses Jahr zu Weihnachten die Menschen glücklich machen sollen. Es ist eine schöne Aufgabe! Und mit dem Temperiergerät, das das Christkind in Gestalt meiner Mutter vorzeitig in meine Küche gestellt hat, macht es gleich doppelt so viel Spaß, weil die grauen Schleier dem Winterwetter überlassen werden.
Zum Jahresende ist es üblich, nicht nur zurückzublicken sondern auch einen Blick in die Zukunft zu wagen.
Ich mache gerne Pralinen!
Mittlerweile wage ich auch eigene Kreationen.
Meistens müssen Familie und Freunde als ‚Versuchskaninchen‘ herhalten – beschwert hat sich bisher noch niemand… doch: weil die Testobjekte in zu geringem Maße zur Verfügung standen. Ich kann es mir nicht leisten, ein Ladenlokal zu mieten. Doch die Gelegenheit, die Sara mir an dieser Stelle bietet, ermöglicht es mir vielleicht, dieses nun schon vor Weihnachten und Ostern sehr zeitintensive ‚Hobby‘ weiter auszubauen und vielleicht auch zu einem Nebenjob zu entwickeln.
- Ich verwende keinerlei Konservierungsstoffe – lediglich Alkohol (Rum, Kirschwasser, verschiedene Liköre) übernimmt bei der einen oder der anderen Praline diese Aufgabe. Doch setze ich ihn kaum gezielt dafür ein. Hauptsächlich nutze ich ihn als Geschmacksgeber.
- Auch beschränke ich mich auf die ‚klassischen‘ Pralinenzutaten, wie Schokolade, Marzipan, Nougat, Nüsse, Vanille, Sahne und Kaffee.
- Ich verwende schon mal Zimt, Honig, Tee oder Minzöl. Auch Kardamom, Anis und andere ‚weihnachtliche‘ Gewürze könnte ich mir in der Pralinenherstellung vorstellen (ich habe sie noch nicht verwendet).
- Doch Salz, Basilikum, Rosmarin, Kürbiskerne und ähnliches verwende ich doch lieber in Tomatensauce, an Kartoffeln oder als Zugabe zu Brot und Brötchen. Das mag altmodisch oder ‚unmodern‘ sein, aber wenigstens mag ich dann auch selbst essen, was ich produziere.
Ach so, da gab`s ja noch diesen Titel. Kein Salz, kein Rosmarin und kein Basilikum in den Pralinen, dafür Alligatorenhaut?
Nein! Nur das Muster davon. Pralinen, die mit Schokolade überzogen werden, haben immer ein Muster auf der ‚Standseite‘. Die großen Confiserien wie ‚Lindt-Sprüngli‘, ‚Heinemann‘, ‚Niederegger‘ und so weiter prägen ihre Pralinen natürlich mit ihren Namen und Logos. Meine Pralinen prägten bisher die aufregend glatte Oberfläche von Backpapier.
Erstmals in diesem Jahr haben sie eine besondere Prägung an ihrer Unterseite: die, einer Strukturfolie mit dem Namen ‚Alligator‘. Ob meine Wahl etwas zu bedeuten hat, überlasse ich (Hobby)Psychologen. Fest steht: selbst wenn die Strukturfolie den Namen ‚Brasilianischer Pfleilgiftfrosch‘ hätte: ich werde alle 1.464 Pralinen dieses Jahr an glückliche neue Besitzer abgeben, die genau wissen, was sie damit tun wollen.
Frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr wünscht
Ursula Fuchs
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